Unterwegs bei Gewitterstimmung ...

04.06.2016

Es grollt rundherum aus dunklen und tiefhängenden Wolken, während in der Ferne wiederum wahre Wolkentürme sich auftürmen. Es ist typisch bei nahendem Gewitter: die Vögel werden stiller, die Insekten verkriechen sich im Blattwerk, suchen oft tiefere Stellen auf oder gar die Unterseiten von Blättern und Halmen ... also muss man die Nase bei solcher Wettersituation tiefer halten und die Augen in Bodennähe streifen lassen ...

Und so kann man das nur etwa 20mm große Elfenbein-Flechtenbärchen (Cybosia mesomella) entdecken, wie es hell aus dem Gräserdickicht herausleuchtet. Die große Herausforderung ist es, ohne Berührung der Grashalme und ohne Erschütterung die Kamera so nahe an das Tierchen zu bekommen ...

Dieser schreckhafte Nachtfalter leidet unter der "Verdunkelung der Wälder" in Form der üblichen Monokulturen - er braucht locker-buschige Waldränder und lichte Laubwälder, Moorwiesen und offenes Gelände; die Raupe lebt nämlich von Laub und Moos - Dinge, die in den finsteren Fichtenmonokulturen einfach nicht zu finden sind!

Sonnige Lagen und eher trockene, aber nährstoffreiche Böden bevorzugt die Gewöhnliche Hundszunge (Cynoglossum officinale), wo sie ihre auffälligen, an das Lungenkraut (im Volksmund Hansl und Gretl) erinnernden Blüten oft in langen Zeilen aufgefädelt mehrästig in die Luft streckt. Sie stellt eine sicher nicht alle Tage zu findende botanische Besonderheit des Raader Waldes dar.

Schon ein etwas gewöhnlicherer Fund ist die Gruppe der Schwarzen Bohnenlaus (Aphis fabae) am Kletten-Labkraut (Labium sp.) - welcher Gartenbesitzer kennt sie nicht als lästige Mitbewohner, denen man ihre Erzfeinde Marienkäfer, Florfliege und Ohrwurm an den Hals wünscht, um sich von diesen schwarzen saugenden Stengelbewohnern zu befreien?

Trotzdem, hier im Bereich des Waldrands haben auch sie ihren unbestrittenen, angestammten Platz und erfüllen ihre Aufgaben, für die sie scheinbar geschaffen wurden: einerseits die Pflanzen auf ihre gesundheitliche Stärke zu überprüfen und andererseits als Futter für die Jungen aller insektenfressenden Vögel ...

Am Wegrand ist ein kleiner Horst einer Geruchlosen Kamille (Tripleurospermum maritimum), wobei interessant ist, dass die Wurzeln dieser Pflanze bis über einen Meter in den Boden eindringen können! Sie riecht wie der Name schon sagt NICHT nach Kamille und hat auch keine Heil wirkung.

Beim Rückweg blinkt es seltsam geometrisch, scheinbar im Blattwerk desgerade blühenden Roten Hartriegels (Cornus sanguinea), auf. Spinnenfäden? Oder hat jemand mit dünnen Fäden gespielt?

Beim genauen Betrachten fällt auf, dass das obere Ende der beim berühren recht stabil wirkenden Fäden im versponnenen Geäst eines Pfaffenhütchens befestigt ist - und das untere Ende scheinbar willkürlich an Grashalmen oder Blättern in Bodennähe. Es scheint sich also um Abseilfäden der Raupen von der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (Yponomeuta cagnagella) zu handeln. Und diesen Raupen sind wir auch schon anderweitig begegnet ... blättere einfach mal HIER und HIER durch ...

Eigentlich ist er ja ein Bewohner der Nadelwälder, der Augenmarienkäfer (Anatis ocellata), wo er Blattläusen und auch Blattwespenlarven und Raupen nachstellt - aber wie so oft kümmert sich dieses Exemplar einfach nicht darum, was in der "Fachliteratur" geschrieben steht, und verbringt seine Zeit vor dem nahenden Gewitter im Blattwerk eines Roten Hartriegels (Cornus sanguinea), wo er sich zwischen den Blattachseln vor dem möglchen Regenguss sicher wähnt.

Der unattraktive Name läßt fast vergessen, nach der interessanten Lebensweise der Gelben Dungfliege (Scathophaga stercoraria) zu fragen! Die Nahrungsaufnahe beim Blütenbesuch erfolgt durch ihren spitzen Rüssel, mit dem sie kleinere Insekten aussaugen. Später werden Eier im tierischen Dung abgelegt, wobei noch später die Larven wieder andere Insektenlarven in demselben Dung fressen!

Was lernen wir daraus? Eigentlich führt der Name in die grausige Irre, denn mit Dung hat das Tierchen ja nur in Form von Lebensraum zu tun ... Für extreme Sauberfanatiker macht das aber sicher trotzdem keinen Unterschied, um beim Gedanken an das unauffällige Insekt leise zu frösteln :-)

Dennoch sei allen ins Stammbuch geschrieben: es ist eine wichtige Art im ökologischen System, welche seit uralter Zeit mit all seiner Lebenskraft zur raschen Zersetzung von Tierkot und dessen Einarbeitung in den Boden beiträgt.

Die zu den Motten gehörenden Kleinfalter erreichen eine Flügelspannweite bis über 20 Millimeter. Diese kleine und auffällig gefärbte Langhornmotte (Nemophora degeerella) hat metallisch aus den Blättern hervorgeglänzt - und ihre überlangen Fühler machen sie zu einem begehrten wenn auch schwierigen Fotomodell, denn diese Fühler halten kaum einmal still .....

Übrigens kaum vorstellbar, dass die Raupen in den Blättern krautiger Pflanzen minieren, also im Raum zwischen der Ober- und Unterhaut eines Blattes ...

In der Zwischenzeit ist der Himmel recht dunkel geworden und das Fotolicht reicht kaum mehr ... also ab nach Hause und hinter die Bestimmungsbücher und vor das Internet geklemmt ... unglaublich, was man alles über die Natur auf diesem Wege immer noch erfahren und lernen kann ... Wissen kann echt Spaß machen ....

 

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