Warme Tage im Raader Wald ...

22.04.2020

Das pralle Leben sollte durch das ohnehin für die Jahreszeit viel zu warme Wetter hervorgelockt werden - die Blüten der Sträucher folgen auch gehorsam diesem Ruf. Aber der Boden ist trocken und dürr, und die Luft sollte schwirren vom Flügelschlag der Insekten ... doch es ist seltsam still ...

Der Wollige Schneeball (Viburnum lantana) lockt am Waldrand mit seinen weissen Blütenbällen nektar- und pollenhungrige Käfer an; hier traulich vereint ein Goldglänzender Rosenkäfer (Cetonia aurata) sowie ein Stolperkäfer (Valgus hemipterus). Beide sind sie alte Vertraute im Frühlingserwachen, und beide gehören sie zur Familie der Blatthornkäfer (Lamellicornia), die sich durch lamellenförmige Fühlerenden auszeichnen.

Am Wegrand haben sich die gelben Blütentrauben der Gemeinen Berberitze (Berberis vulgaris) schon geöffnet ... ihre selbständig-beweglichen Staubblätter sind immer wieder eine nette Möglichkeit, Kindern die Wunder der Natur spielerisch und fröhlich nahezubringen ! Berührt man ein Staubblatt, klappt die Pflanze dieses in die Mitte an die grüne Narbe.

Sträucher und Bäume schmücken sich schon mit frischem, intensivem Grün ... und eigentlich sollte die warme, fast sommerlich heiße Luft vom fliegenden Insektenvolk in lautes Summen versetzt werden ... aber es ist viel zu still. Ist es möglich, dass der allgemeine, drastische Schwund der Insekten schon so deutlich spürbar ist? Aber noch ist es früh im Jahr - hoffen wir das Beste ....

Da sitzt der kleine 8-beinige Held - das Männchen der Springspinne (Aelurius v-insignitus) - auf seiner Warte und beäugt eine aufregende Situation: ein Weibchen hüpft aufgeregt in eiligen Sprüngen erstmal davon ... und ich lege mich langsam und vorsichtig längelang mitten auf den steinigen Weg, die Kamera im Anschlag, und harre der Dinge die da (vielleicht) kommen ...

Nach einer kurzen unaufdringlichen Verfolgung, gut getarnt durch das Fleckmuster, balzt das Springspinnen-Männchen (ganz links) mit friedvoll winkenden Vorderbeinen, um die Gunst des (noch) widerstrebenden Weibchens (rechts unten) zu erringen.
Eindeutig: Frühling ist's ....

Das Weibchen wartet ab .... und leider muss das Ende der Geschichte offenbleiben, denn der anschließende rasche Positionswechsel beider Springspinnen ausgerechnet unter meinen Hemdsärmel, die Vermeidung rascher Bewegungen, und das Aufrappeln aus meiner ungemütlichen Lage - bäuchlings da am steinigen Weg - nutzten die Beiden, um mir aus den Augen zu kommen ...

P.S. Die Art konnte nicht bestimmt werden, und so haben wir uns an einen befreundeten Spezialisten gewandt, der noch spätabends prompt antwortete:

Diese Salticidae ist ganz einfach sogar anhand Bilder zu bestimmen, nicht nur für mich als Salticidae "Spezialisten". Das Männchen hat am Vorderkörper einen Buchstaben stehen. Dieser Buchstabe steckt ganz vorne im Artname. Kannst sie jetzt finden?
Ansonsten gibt es die Lösung morgen.

... und so gings mit Eifer ans Werk und schon heute steht fest: Springspinne (Aelurius v-insignitus) .. die Springspinne mit dem V am Hirn :-) ... also mit V signiert ...

Ja es macht Spaß (auch das Bestimmen der gefundenen Objekte) - und ja, manchmal ist es mühsam, dauert lange, und oft ist es auch erfolglos, der Natur ihre Geheimnisse ablauschen zu wollen. Aber immer ist es genußreich, dort draußen in der Natur "dabeisein zu können" - auch wenn ausnahmsweise sogar überhaupt nichts passiert, außer dass man eine halbe Stunde älter wird!

Und nein, es ist NICHT egal, ob wir natürliche Stätten wie den Raader Wald der überall hektisch fortschreitenden Vernichtung, Versiegelung, sogenannter "ökonomischer Nutzung" preisgeben und somit auf immer verlieren. Es ging schon genug verloren auf dieser Welt - vielleicht ging sogar schon zu viel verloren und die aktuelle Situation mit der Corona-Pandemie als Höhepunkt läutet einen unumkehrbaren Prozess ein ... vielleicht haben wir zu lange gesagt, es sei fünf Minuten vor Zwölf - dabei ist es schon weit nach Mitternacht ..... ?

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