Ruhig wird es im Raader Wald ...
23.11.2017
Der Herbstnebel macht die Stille im Raader Wald noch hörbarer .... nur von Weitem lärmen manchmal die Eichelhäher, die sich um die Früchte streiten ...
Die nächtlichen Tautropfen gehen den ganzen Tag nicht mehr von den Kleeblättern weg, die Sonne hat nicht mehr genug Wärme, sie verdunsten zu lassen. Und bald werden auch diese letzten Blätter vergehen, was sich durch kleine schwarze Punkte und bräunliche Flecken schon ankündigt ...
Und immer wieder eine aus der Rolle fallende Blüte, diesmal eine Taubnessel, welche ihre Blüte laut nach Insekten rufend aus dem Herbstlaub herausstreckt. Aber der Ruf bleibt ungehört - die Kälte ist schon zu weit fortgeschritten für die summenden Bestäuber ...
Quer durch den Wald finden sich immer wieder dicke, knorrige Äste, welche an der losen Rinde schon deutliche Spuren der nach Insektenlarven suchenden Spechte zeigen.
Hier hat der Sturm zugepackt und aus dem Wald ein Stück Urwald gemacht ... zumindest stellen wir uns einen Urwald meist so oder ähnlich vor. Es dauert aber noch Jahrzehnte, bis es ein solcher wirklich geworden ist - wenn der Wald diese Chance überhaupt erhält ...
Immerhin befindet sich der Raader Wald auf einem guten Weg, was den Urwald, den damit verbundenen wichtigen Totholzanteil betrifft.
Dieser noch jugendlich schlanke Baum allerdings wurde schon früher einmal abgesägt und entnommen - seine "Biomasse" steht dem Wald nicht mehr zur Verfügung ....
Die herumliegenden Bäume haben vielerlei Wirkung auch auf den Unterbewuchs des Waldbodens. Hier wird bald Dickicht entstehen, denn das Wild scheut diese schlecht zugänglichen Stellen, und so können die Pflanzen treiben und wachsen, ohne als Futterpflanzen kurzgehalten, verbissen zu werden.
Der Sturm hat so einigen wichtigen lebensraum geschaffen aus Dingen, die man normalerweise, mit Geld beziffert als "Schaden" definiert. Aber solche gebrochenen Stämme und Äste werden im Frühjahr beginnen, Saft abzusondern, und dieser wiederum bildet eine von mehreren Lebensgrundlagen des hier noch in meiner Jugendzeit vorkommenden, heute aber praktisch ausgestorbenen Hirschkäfers (Lucaus cervus) ...
Dieses stille schauen, das Betrachten der Veränderungen, das überlegen der möglichen Auswirkungen, die der Sturm nach sich ziehen würde, sofern es gelingt, den Wald vor dem Zugriff der nur finanzorientierten Wirtschaft zu bewahren, hat längeres Verweilen am Platz zur Folge. Und so kommt es öfter einmal zu einem unbeabsichtigten Treffen mit Bewohnern des Raader Waldes, das ohne Hast und Eile. ja sogar ohne Flucht, Rennen und Fliegen erfolgt. Nur ein gegenseitiges Wahrnehmen, nur ein gegenseitiges Betrachten, Einschätzen und ..... jeder geht wieder seinen Weg ....
In diese nebelverhangene Lichtung ist eine Eiche gestürzt worden - sie hat einen gänzlich anderen Prozess des Zerfalls vor sich als ihre Geschwister im Wald. Im Wald ist Schatten, Feuchtigkeit und Dämmerlicht, hier ist Sonne, Licht und Trockenheit ... hier könnten Jugendliche lernen, Unterschiede zu bemerken, zu beobachten, selber Schlüsse zu ziehen - die Natur als Regelwerk, als dynamisches System verstehen lernen ... der Wald als "Grünes Klassenzimmer" wäre ein wünschenswertes Ziel ...
Neben dem Großen existiert aber überall auch das Kleine: Dieses Gewirr aus Stolperfäden ist noch nicht so alt - die Spinne, die es angelegt hat, wird aber Glück brauchen, wenn sie um diese Jahreszeit noch etwas darin erjagen möchte ... aber nichts ist unmöglich in der Natur, und manchmal braucht es nur wenige Sonnenstrahlen ...
Der Nebel - die fehlenden Farben werden wettgemacht mit der ihm eigenen Stimmung des nur verschwommen, diffus Wahrnehmbaren und der damit meist verbundenen geheimnisvollen Stille ...
>>> zum nächsten Tagebuch-Eintrag ...
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