... Die EICHE, die Hauptbaumart des Raader Waldes ...
25.09.2017
Ist es nicht seltsam, dass wir den Hauptbaum des Raader Waldes bisher eigentlich nie vorgestellt haben? Es möge als Entschuldigung gelten, dass die vielen vielen Ausgänge, die Bilddokumentation, die Suche nach immer neuen Arten von Tieren und Pflanzen einfach den Blick auf das Einzelne verstellt haben ....
Es ist so gar nicht immer klar, ob es sich bei einer im Raader Wald stehenden Eiche um die Stiel-Eiche (Quercus robur) oder die Trauben-Eiche (Quercus petraea) handelt. Zahllose Unterscheidungsmerkmale scheinen dabei behilflich sein zu können - aber fast alle Merkmale können zur jeweils "anderen" Art tendieren, wenn Standort, Entwicklung und Sonneneinstrahlung dies beeinflussen. Und zusätzlich neigen diese Eichen-Arten, wenn sie gemeinsam an einem Standort vorkommen dazu, sich zu vermengen, zu "bastardieren" - und schon tragen die Bäume die Merkmaler BEIDER Arten.
Eichen sind wichtig auch für andere Bewohner des Waldes: abgebrochene Äste faulen aus und bilden Höhlen, die entweder von Spechten noch weiter "ausgebaut" werden, oder aber von den Spechten nachfolgenden Tieren - Fledermäuse, Bilche, Hornissen, ...) genutzt werden.
Der Herbst färbt einzelne Blätter schon in herrlichen Farben - und er läßt manchmal die Aderung schön hervortreten - ein Merkmal zur Artenunterscheidung. Hier das typische Blatt einer Trauben-Eiche (Quercus petraea), welche in den Blattbuchten keine Ader besitzt, sondern sie nur in die Lappenspitzen münden läßt ...
Hier ist die zweite Variante der Aderung ersichtlich .... jene der Stiel-Eiche (Quercus robur), welche Adern auch in die Blattbuchten führt ... allerdings gibt es zahlreiche (verunsichernde) überschneidende Varianten, welche dieses Bestimmungsmerkmal als nicht ausreichend ausweist!
... und hier wieder die Rückseite eines Blattes der Trauben-Eiche (Quercus petraea) - Adern nur zur Lapenspitze des Blattes.
Die Eichenlinsengallwespe (Neuroterus quercusbaccarum) macht sich hier an der Unterseite eines Eichenblattes bemerkbar.
Diese Gallwespe unterliegt einer ganz besonderen Entwicklung:
Die linsenförmigen Gallen am Bild fallen etwa im Oktober zu Boden, wo sich die Larven der Eichenlinsengallwespe bis zum Frühjahr weiterentwickeln und dann verpuppen. Im März schlüpfen aus den Puppen nur Weibchen, die in Eichenknospen unbefruchtete Eier legen. Es bilden sich kugelige glasige Beerengallen, in denen sich Larven entwickeln, nach deren Verpuppung im Juni sowohl männlichen als auch weibliche Gallwespen schlüpfen. Jetzt erst erfolgt eine „normale“ Paarung, nach der die Eier an der Blattunterseite der Eichen abgelegt werden, wodurch wieder die Entwicklung der linsenfömigen Gallen folgt. Und jetzt beginnt der Zyklus von vorne …
Herabgefallene Äste behalten oft das anhaftende Laub sehr lange - und bieten so über den Winter gut geschützte Ruheplätze für zahlreiche Insekten.
Die Eiche ist hier überall, sie bildet den Wald hauptsächlich, aber gemeinschaftlich mit zahlreichen Sträuchern, die den Waldrand wie ein Gürtel umgeben.
Die herabgefallenen Äste sind als eigener, vielfältiger Lebensraum zu werten. Jede Form von Zersetzung und Rotte ist hier zu finden und bietet ebenso vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Im Bild ein alter Ast auf feuchtem Boden - und hier sind es Pilze, die an der Zersetzung des zähen Eichenholzes beteiligt sind ...
Anders die Situation an einem anderen, trockenen Standort. Hier bleibt auch das Laub sehr lange "in Form" und die Zersetzung von auch nur dünnen Ästen kann aufgrund der Härte des Eichenholzes sehr lange dauern.
Wieder einen anderen, sehr wertvollen weil schon selten gewordenenLebensraum bieten abgebrochene oder abgestorbene Äste am Baum selber. Die Pflegemaßnahmen in unseren Wäldern tolerieren soche "Totholzstrukturen" nicht - entweder werden die Bäume gar nicht alt genug, um solche für die Natur wichtigen Strukturen auszubilden, oder sie werden "gepflegt", das heißt, "gesund erhalten" indem man das (für den Menschen krank scheinende!) Totholz beseitigt.
Wie Lebensstark diese Eichen sein können, ersieht man an diesem frischen Wurzelaustrieb an dem Baumstrunk vom heurigen Winter ...
Charakteristisch für die Eiche ist die borkige grob-rissige Rinde, die wie hier stark von Flechten besiedelt sein kann ...
Der Herbstwind zaust schön kräftig an den Blätterbüscheln und reißt so manches vom Baum, um es als in der Sonne aufleuchtenden Farbtupfer mahnend dem Menschen vor die Füße zu legen.
Die Eicheln der Eichen sind im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen für den Eichelbohrer (Curculio glandium), ein kaum 7mm kleiner Rüsselkäfer, der seine Eier in die noch grüne Eicheln legt. Diese wird von der geschlüpften larve innen ausgehöhlt und vor dem Winter verlassen, um die im Frühling stattfindende Verpuppung im Boden durchzuführen. Im Mai oder Juni ist die nächste Generation so weit, sich auf die Suche nach frischen grünen Eicheln zu begeben ...
Würde man den Eichelbohrer (Curculio glandium) suchen wollen, man würde diesen Winzling von kaum 7mm glatt übersehen - aber er hat sich bei einem der zahlreichen Exkursionen in den Raader Wald genau das Autodach als Landebahn ausgesucht ... und so musste nur noch die Kamera gezückt werden.
Bild: Florian Mayr
Der Eichelmehltau (Calvatia gigantea) befällt nicht nur Eichen sondern auch andere Laubhölzer. Er ist für die Eichen allerdings so etwas wie Schnupfen für den Menschen, also normalerweise ungefährlich. Allerdings ist er auch Basis für die Ernährung einiger Marienkäfer wie der gelb-schwarze Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer (Psyllobora vigintiduopunctata) und Sechzehnfleckige Marienkäfer (Halyzia sedecimguttata) ... den haben wir allerdings noch nicht fotografisch erfaßt, daher einfach auf den Namen klicken und schon gibt Wikipedia Auskunft ...
... und es ist sogar einmal tatsächlich gelungen, den auffälligen gelben Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer (Psyllobora vigintiduopunctata) beim Abweiden des Mehltaus auf einem Eichenblatt im Raader Wald zu ertappen ...
Bild: Florian Mayr
Diese junge Eiche leidet nur wenig an Mehltau, dafür hat sie aber irgendein kleiner insektoider "Fressfeind" an den Blättern beschädigt, indem er kleine runde Löcher hineingefressen hat .... was aber der kleinen Eiche nicht wirklich schadet ....
Frische, zu Boden gefallene Äste werden gerne von Tieren angefressen, welche es auf die in der Rinde eingelagerten Nährstoffe abgesehen haben.
Dickere Äste werden schnell durch Käfer in Anspruch genommen, welche ihre Eier in vorhandene Ritzen ablegen und die Larven sich dann im Inneren des Astes durchs Holz fressen. Dies wissen auch die Spechte und versuchen, durch gezielte Absuche und Heraushacken an die nähstroffreichen Larven zu kommen ...
Diese Eichel ist spät dran - im Herbst noch grün zu sein kann bedeuten, dass es für die Endreife und Bräunung nicht mehr reicht. Der lange Stiel, an dem die Eichel sitzt, deutet auf die namensgebende Stiel-Eiche (Quercus robur) hin. Die Form der Eichel - klein und rundlich - wiederum auf die Trauben-Eiche (Quercus petraea) ... was nun?
Hier ist es eindeutiger - die Eichel ist gestielt UND länglich ... also Stiel-Eiche (Quercus robur) ... nun, es handelt sich aber um den gleichen Baum .... ist das also stimmig?
Die Rückseite eines Blattes zeigt deutlich die Aderung, welche zumingest teilweise auf die Buchtungen des Eichenblattes hinlaufen - also Stiel-Eiche (Quercus robur)? Es ist immer noch nicht richtig eindeutig - und so bleibt es auch ... ist ja auch grade nicht so wichtig!
Hier sehen wir eine verlassene Galle der auf Eichen spezialisierten Gemeinen Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) und zwar eine unregelmäßig geformte Galle, wie sie meist bei der Eiablage an den Zweigen entsteht ...
Die ebenmäßig geformten Gallen bilden sich eher auf dem Blatt bzw. Blattstiel aus ... man sieht die Ausflugslöcher der Gemeinen Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) welche nur bis zu drei Millimeter groß wird! Die Gallen sind ein Abwehrprodukt der Eiche, in der sich die Larve entwickelt ... zumindest, sofern sie schneller frißt als die Galle wächst! Gelingt ihr das nicht, wird sie ummantelt und ... erdrückt!
Nachgetragen vom 02.10.:
Ebenfalls spezialisiert auf die Eichen ist der Große Schneckenspinner (Apoda limacodes) dessen seltsam geformten Raupen an der Blattunterseite zu finden sind ... wenn man sie überhaupt findet!
Die folgenden Bilder stammen aus dem Archiv von Mayr Florian, um damit den "Eichensteckbrief" komplettieren zu können:
Ein sehr selten zu findender, und in seinem Bestand schon gefährdeter Schmetterling ist der Blaue Eichenzipfelfalter (Neozephyrus quercus) . Auch er ist in seiner Entwicklung an Eichenwald gebunden, wodurch er das Schicksal des langsamen, unbemerkten Verschwindens mit diesem teilt ...
Bild: Florian Mayr
Dieser Schmetterling ist, nein war eigentlich häufig und weit verbreitet. Er besiedelt wie die vorgenannten Arten eichenreiche Wälder und Eichenalleen, leidet aber wie viele andere unter dem schleichenden Lebensraumverlust durch das Verschwinden der Eichenwälder. Die grün-weisse Zweifarbigkeit hat der Eichen-Kahneule zum wissenschafltichen Namen Bena bicolorana (bicolor = zweifarbig) verholfen!
Bild: Florian Mayr
Ein reines Suchbild ist das Folgende: Die Tarnung des Großen Eichenkarmin (Catocala sponsa) ist perfekt an das Leben an und mit der Eichenrinde abgestimmt! Man findet diesen Falter deswegen kaum, noch dazu wo er ein reines Nachttier ist.
Bild: Florian Mayr
Ebenfalls im Raader Wald zu finden ist die Eichen-Schmuckwanze (Rhabdomiris striatellus), die in ihrer Lebensweise eng an Eichen (Name!) gebunden ist: die Lrave saugt an Blüten und Früchten ihrer Wirtsbäume, das fertige insekt lebt räuberisch von Blattläusen und anderen Insektenlarven..
Bild: Florian Mayr
Seine Sammeltätigkeit in Eichenwäldern hat dem Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) seinen Namen eingetragen! Beliebt und allseits bekannt als geschickte Kletterer sind diese Tiere die Lieblinge der Kinder bei Waldspaziergängen. Sie bauen in den Bäumen sogenannte Kobel, in denen sie ihre Ruhezeiten verbringen. Sie fressen allerdings nicht nur Eicheln, sondern auch Beeren, Nüsse, Früchte aber auch Blüten, Flechten und als Fleischkost Würmer, Vogeleier und Jungvögel ...
Bild: Florian Mayr
... und was wäre eigentlich der Eichenwald ohne Eichelhäher (Garrulus glandarius)? Dieser schmucke, oft laut über den Menschen schimpfende Vogel hat einen großen Anteil an der Verbreitung der Eiche - sofern man sie läßt! Er sammelt und versteckt eine Unmenge von Eicheln, und jene, die er nicht wiederfindet, bilden den Grundstock für neue Wälder ...
Bild: Florian Mayr
Und damit ist wieder ein Ausgang und gleichzeitig ein Steckbrief über die Eiche abgehandelt .... abschließend noch ein kleiner Spaziergang zwischen Feldahornen, welche der Art-Bestimmung keine solchen Schwierigkeiten machen und einen hübschen Ausblick auf den beginnenden Spätnachmittag im Wald gewähren ...
>>> zum nächsten Tagebuch-Eintrag ...
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