Genuss für's Auge

19.05.2016

Heute ist ein längerer Ausflug geplant, der mich unter anderem auf teilweise schon bekannten Wegen in die südlichen Teile des Raader Waldes führen soll. Gleich zu Beginn stoße ich im Wald mitten auf der Fahrspur des Güterweges auf die Reste einer von einem Autoreifen zerstückelten und plattgedrückten Schlange. Die grauweiße Färbung des Bauches mit der dunklen Mittellinie zeichnet sie als Ringelnatter (Natrix natrix) aus. So tragisch solche "Totfunde" sind, werden sie doch als Spur gewertet und angesprochen. Sie geben oftmals einen Hinweis auf das Vorhandensein von Tieren, denen man ansonsten eher selten begegnet.

Oft muss ich mich entscheiden: betrachte ich den Boden und die Vegetation genauer, oder widme ich die Aufmerksamkeit eher dem Luftraum ober mir. Noch bin ich aber nicht systematischer Beobachter, sondern möchte den Wald kennenlernen, um mich darin gut zurechtzufinden, um ihn kennenzulernen, und so nehme ich es einfach (noch) nicht so genau und wandere einfach mit offenen Augen durch ihn hindurch. Irgendwelche Geräusche, Gesänge oder Bewegungen lenken so meinen Blick dorthin, wo es etwas zu entdecken gibt - und so finde ich wieder einmal kleine Brutlöcher an diesem Baum.

Ich stoße an eine menschgemachte Grenze - der Weg führt einen Maschenzaun entlang und ich lasse mich einfach von diesem leiten und gehe ihn entlang ... lauter Gesang der verschiedensten Vögel begleitet mich; sie dürfte dieser Metallkörper nicht wirklich beeindrucken ...

Eine kleine Lichtung unterbricht den Waldrand entlang des Zaunes - und von deren Rand leuchten sanft im Wind nickende Blüten der Akelei (Aquilegia vulgaris). Eine ganze Gruppe dieser zierlichen Blumen findet sich hier zwischen den Bäumen und zaubern bunte Tupfen in den Wald ...

Lautes Zetern läßt mich innehalten - ein Buntspecht läßt seinem Ärger freien Lauf, und während ich ihn zwischen den Blättern auszumachen versuche, finde ich die nächste Bruthöhle ganz oben fast am Ende eines abgebrochenen Baumes. Ob es die Höhle des immer noch lauthals schimpfenden Spechtes ist, bleibt diesmal ungeklärt ....

Lichtes Grün schimmert zwischen den Büschen am Waldrand hindurch und lockt mich, etwas tiefer in den Wald einzudringen. Eine Lichtung tut sich auf mit lockerem Bewuchs von Eichen, mittendrin dominieren aber einige große Rotbuchen den Platz. Tiefgrünes saftiges Gras und einige Spuren lassen darauf schließen, dass hier Rehwild seine regelmäßige Äsung findet. Kleine ausgekratzte freie Flächen zeugen davon, dass hier das Wild auch einen Ruheplatz findet ... und so mache ich mich still wieder davon ...

Ein nicht sehr alter Holzstock macht mich darauf aufmerksam, dass ich bisher kaum solche alten Stöcke bemerkt habe. Wurde dieser Wald wirklich so selten oder kaum bewirtschaftet? Wurde so selten Holz geschlagen, dass es keine Strünke mehr gibt? Ich beschließe, dies später in Erfahrung zu bringen und lege diese Frage zunächst einmal in meinem Gedächtnis ab ...

Der wenig befahrene Fahrweg, welcher nur aus zwei Spuren mit einem grünen Mittelstreifen besteht, führt idyllisch über kleine Wiesen und schlängelt sich zwischen vorwiegend Eichen und Dornsträuchern hindurch ...

Ein nicht sehr alter Kirschbaum hat in Bodennähe ein krebsartig wirkendes Geschwür. Manchmal häufen sich in anderen Wäldern solche Zeichen an Bäumen, hier ist es aber das erste Mal, dass ich einer solchen Erscheinung begegne ... aber noch kenne ich den Wald ja noch viel zu wenig ...

An einem Hartriegelstrauch rankt sich eine Heckenrose empor zum Licht, verwendet ihn als Stütze für ihre Kletterfähigkeit, hakt sich dabei mit ihren Ranken fest in die Zweige des Strauches und dehnt sich so dem Sonnenlicht entgegen. Zartrosa öffnet sich so die Blüten ins Licht und hofft auf eine Bestäubung durch vorbeifliegende Insekten ...

Teilweise finden sich freie Zungen, die sich weit in den Wald hinein erstrecken und bewirtschaftet werden. Dieses Gerstenfeld wiegt sich sanft im Wind und raschelt dabei leise, wenn sich die zahllosen Ähren aneinander reiben ...

Scheinbar war hier einst eine Schottergrube - der ebene Boden ist als Feld bewirtschaft, die trockenheißen Hänge jedoch liegen brach und bilden ein hervorragendes Trockenbiotop ... hier sind mit Sicherheit einige tierische und botanische Besonderheiten zu erwarten ...

Niedriger Bewuchs mit Büschen und zarte Gräser dominieren derzeit an dieser kargen Fläche, aber schon bald kann sich hier ein buntes Bild zeigen. Ich beschließe, dort regelmäßig vorbeizuschauen, um nichts zu versäumen ...

Der Wiesensalbei (Salvia pratensis) blüht schon recht kräftig und versorgt die ersten Insekten mit süßem Nektar ...

... und dazwischen eine mir (noch) unbekannte Blütentraube in hellem Gelb, die auf einer stark verzweigten Pflanze sitzt. Ich werde später versuchen, sie zu bestimmen ...

An einer warmen Böschung findet sich eine ganze Gruppe vom weißgelb blühenden Wundklee (Anthyllis vulneraria). Dieser dient als Bienenfutter und in der Volksmedizin als beliebte heilpflanze, welche bei Husten aber auch als Wundheilmittel eingesetzt werden kann.

Erste Käfer der Gattung der Schenkelkäfer finden sich auf den bunten Blüten - hier der Graugrüne Schenkelkäfer (Oedemera virescens)

Eine Purpur-Baumwanze (Carpocoris pupuripennis) - sie findet man in Wiesen, an Waldrändern und an Lichtungen. Ihre sehr variable Färbung geht von bräunlichen bis zu rotbraunen Tönungen.

Auf einer Korbblüte finden sich einige kleine dunkelblaue Blattkäfer zur Hochzeit ein ...

Eine Wiese bietet eine besondere Augenweide in Form einer Gruppe von Klatschmohnblüten ... viel zu schwerfällig nicken sie im leichten Wind, so dass ich aufmerksam werde und an sie herantrete, um sie genauer in Augenschein zu nehmen ....

... und tatsächlich: in den Blüten frisst ein Pärchen Trauer-Rosenkäfer (Oxythyrea funesta) die Pollen der Klatschmohnblüte.

So sieht der kleine Kerl mit dem traurigen Namen auf der Handfläche aus - erst in der Vergrößerung werden die weißen Flecken und die dazwischenliegende lange Behaarung deutlich sichtbar.

Eine kleine Gruppe mit jungen Fichten steckt dunkel und abweisend zwischen den Eichen. Ich weiß, dass dies bevorzugte Stellen für fliegende Beutegreifer sind und streife durchs enge Geäst - und tatsächlich finde ich die Rupfug von einem erbeuteten Vogel. Aus den Federn werde ich nicht recht schlau - für eine Amsel sind sie etwas zu hell, für eine sichere Bestimmung einer Singdrossel fehlen mir die signifikant gepunkteten bräunlichen Brustfedern ... ich muss die Ansprache des erbeuteten Vogels offenlassen ...

Aus dem Wegrand leuchten hell einige Blütenköpfe hervor ... ein Storchschnabel, aber welcher?

Die Blätter (und ein Bestimmungsbuch) lüften schließlich das Geheimnis: der Weiche Storchschnabel (Geranium molle) wächst hier überall am Wegrand ...

Eine große landwirtschaftlich genutzte Fläche zeigt deutlich abgrenzend die Unterschiede zwischen den angebauten Pflanzen, während aus dem Wald im Hintergrund die Vögel ein letztes Mal zum gemeinsamen Chor anstimmen ... und dieser Eindruck ist auch der letzte dieses Tages.

Über vier Stunden war ich unterwegs, und viele Eindrücke und Einblicke habe ich gewonnen. Die Wege und Pfade sind verschlungen und überkreuzen sich viele Male, so dass es noch einige Zeit dauern wird, bis ich alle begangen habe. Aber der Frühling ist eine gute Jahreszeit, so ein Gebiet kennenzulernen, und ich freue mich auf dien nächsten interessanten Beobachtungen ...

 

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