Rotes Streiflicht am Nachmittag ...

14.11.2020

Der Nebel hebt sich und die Sonne bricht durch - Grund genug, beschwingt vom letzten kurzen Ausflug mit seinen Beobachtungen noch einmal Ausschau zu halten nach irgendetwas, das fliegt, kriecht oder läuft ...

Und tatsächlich, gleich zu Beginn liegen einige Mostobstfrüchte an einem sonnigen Abhang - irgendjemand hat sie dort entsorgt - und bilden eine wahre Futterinsel für letzte sowohl sonnenhungrige als auch den vergärenden Obstsaft aufsuchende Insekten: Ein ansonsten recht flüchtiger C-Falter (Polygona c-album) nutzt die Saftquelle und rührt sich dabei nicht vom Fleck, so nahe ich ihm auch komme. Deutlich ist das weiße "C" auf der Flügelunterseite zu sehen, das ihm den Namen eingebracht hat.

Unweit des Falters sitzt regungslos eine leicht zu übersehende Mistbiene (Eristalis tenax) , eine im Gegensatz zu den anderen schlanken Schwebefliegen recht robust wirkende Art. Sie verfügt über einen zweiten, recht sperrigen, und daher kaum verwendeten Namen, nämlich Scheinbienen-Keilfleckschwebfliege.

Knapp unter meinen mit dem bodennahen Fotografieren beschäftigten Händen bewegt sich etwas - eine gutmütige, in der Kühle der Luft träge Hornisse (Vespa crabro) versucht sich in der Sonne sitzen aufzuwärmen, bevor sie sich weiter an dem Obst gütlich tut und wohl ihre Reserven für die Überwinterung auffüllt. Bald wird sie sich einen alten Holzstrunk suchen und sich im weichen Mulm eine Höhle bauen, um dort geborgen und von der auch im Winter andauernden Fäulnis des Holzes gewärmt auf den Frühling zu warten - was wir vor Jahren >>> schon einmal dokumentiert haben .

Im Walddunkel läßt das seitlich hereinströmende Sonnenlicht die späte Blüte der Pfirsichblättrigen Glockenblume (Campanula persicifolia) aufleuchten. Allerdings findet sich kein Insekte mehr in der Blüte, die im Sommer eine wahre labestelle für kleinere Rüsselkäfer und andere Insekten darstellt.

Auch die Früchte der Gewöhnlichen berberitze (Berberis vulgaris) wirken durch das spätnachmittägliche Rotlicht der Sonne doppelt rot, und sogar die Blätter fangen noch einmal zu leuchten an. Die säuerlichen Früchte bilden die eiserne Futter-Reserve für die Waldvögel während eines kalten und langen Winters.

Im Bereich der Trockenrase finden sich sogar noch einige Exemplare der Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum) aber auch sie werden wohl nicht mehr von Insekten auf der Suche nach Nektar besucht. Dennoch hat das seinen Sinn - die Natur ist recht verschwenderisch mit Exemplaren - egal ob Tier oder Pflanze - die entweder vor oder nach ihrer typischen jahreszetlichen Vorkommen zu finden sind. Sollten sich - wie ja auch die aktuelle Klimaänderung bewirkt - durch Temperaturschwankngen jahreszeitliche Änderungen ergeben, finden sich dann immer Pflanzen oder Tiere, die mit diesen Verschiebungen zurechtkommen ... und diese Arten sind dann die Gewinner und späteren Urväter und -mütter sich ausbreitender Pflanzen- oder Tiergenerationen.

Die typische Herbstlandschaft des Eichenwaldes ... das Laub ist allerdings nicht so bunt wie bei einem Rotbuchen- oder Ahornwald. Aber auch so hat die sonnendurchflutete rote Wiesen- und Waldrandlandschaft ihren besoneren Reiz.

Die allerletzten Lichtstrahlen bescheinen die Eichenstämme, und es hat sich schon oft bewährt, jetzt die Spalten, Furchen und Risse genauer zu untersuchen. Langsam und auf den eigenen Schatten achtend folgen die Augen sorgfältig und systematisch den senkrechten Schatten - und da sitzt tatsächlich regungslos eine Amerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze (Bombus hortorum) an der Rinde der Stiel-Eiche. Dieser Einwanderer aus Amerika ist unsere größte Wanzenart - und kann bei häufigem Auftreten beim abendlichen Einflug durch offene Fenster ganz schön lästig werden.

Zweimal habe ich ihn übersehen, einfach darübergeschaut - und nur durch die Bewegung eines Fühlers habe ich ihn entdeckt. Tief hineingeschmiegt in die Rindenritze war sie praktisch unsichtbar, die Gewöhnliche Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera) . Leider hat sie beunruhigt das Weite gesucht und ist dabei zu Boden ins Laub gesprungen - wo ich sie gerade noch erhaschen konnte, bevor sie im Laub verschwand.

Wäre er nicht just im Moment des Hinschauens weitergekrochen, ich hätte ihn übersehen, den Eichelbohrer (Curculio glandium) der mit seinen 6mm Körpergröße nicht gerade zu den Riesen unter den Rüsselkäfern zählt. Da sich die Rüsselkäfer rasch fallenlassen, wenn sie Bewegung bemerken, ließ ich vorerst das Fotografieren sein und platzierte ihn vorsichtig in eine Kunststoffdose .... auffällig sein ewig langer Rüssel, mit dem das Weibchen die Eicheln anbohrt, um ihr Ei hineinlegen zu können..

Zum Abschluß noch rasch zu einem nahe liegenden abgestorbenen Baum, dem ich unter die lose Rinde schaue. Und tatsächlich liegt hier ein einzelnes Exemplar eines alten Bekannten, der so unauffällig ist, dass er eigentlich gar keinen deutschen Namen braucht, da ihm nie jemand begegnet .... außer man sucht nach ihm: Der Langhörnige Raubplattkäfer (Uleiota planata) mit seinen gerade einmal 5 (in Worten FÜNF) Millimeter ist ja nun wirklich kein Gigant der Ordnung Käfer (Coleoptera). In diesem Zusammenhang ist es vielleicht ganz interessant zu wissen, dass die Durchschnittsgröße der irgendwo zwischen 5000 und 8000 bei uns vorkommenden Arten bei etwa 7 Millimeter liegt. Es ist nur ein verschwindender Bruchteil der großen Käfer, deren wenige Arten uns manchmal begegnen ...

Das letzte Licht ist aus dem Wald verschwunden, nur mehr ein unbekannter weißer Pilz auf einem Aststück leuchtet vom Boden entgegen ...

Im "Oberstock" des Waldes am Wegrand zeigt sich noch eine mir bisher unbekannte Baumhöhle - normalerweise liegt sie wohl hinter dem grünen Laub versteckt. vielleicht gelingt es ja im Frühling, eine Vogelbrut darin festzustellen ....

Das Sonnenlicht hat überraschend noch einmal einige Insekten hervorgelockt, und wir konnten sehen, dass diese Tiere recht gut auch außerhalb ihrer "Standardzeit" des Vorkommens existieren können. Es ist aber Tatsache, dass durch weiteren Lebensraumverlust und damit verbunden weiteren Artenschwund diese Varianten des zeitlichen Vorkommens rasch verloren gehen werden. Soll diese Leistung der Natur weiter existieren - was ja dem Überleben von Arten durch notwendige und somit mögliche Anpassung entspricht - muss es natürlich genau solche Lebensräume weiterhin geben, somit müssen wir auf solche Lebensräume achten und sie unbedingt erhalten!

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