Kleine Jagd nach totem Holz ...
27.12.2017
Von einem der wenigen alten, abgestorbenen Bäume sind grosse, schon lose hängende Rindenplatten abgefallen, die ich neugierig untersuche. Und prompt findet sich an der Unterseite ein "Nest" eines Eichen-Zangenbockes (Rhagium sycophanta). Aus Holzfasern baut er sich noch als Larve diese Puppenwiege, frißt dann auch gleich das "Ausstiegsloch" durch die Rinde bis auf ein dünnes Häutchen, und verpuppt sich dann in diesem Nest. Wenn die Temperatur stimmt, schlüpft der fertige Käfer ans Tageslicht - und dieses Nest bleibt als Spur zurück ....
Seit längerer Zeit wieder einmal einen alten Bekannten aufgesucht: den Riesenbovist (Calvatia gigantea) ... eigentlich dachte ich, er sei nun endgültig zusammengefault und verdorben. Aber eine kleine neugierige Berührung des Pilzkörpers belehrt mich rasch eines Anderen: Die Konsistenz ist immer noch weich und nachgiebig wie ein Badeschwamm, und eine Wolke von Sporen steigt auf ...
Die Kälte hat die Krautschicht schon vergehen lassen, und der Wald ist durchlässig geworden. Gerade richtig, um alte Furten und fast verfallene Wege und totes Holz aufspüren zu können ...
Das jetzt licht gewordene laublose Unterholz ermöglicht auch das Aufspüren alter morscher Strünke. Das oftmals harte Holz der Außenschicht und die bereits erdige Innenschicht können großartige Seltenheiten der Insektenwelt beherbergen. Im nächsten Frühling werde ich sie daher wieder besuchen, um vielleicht dabei sein zu können, wenn die überwinternden oder sich darin entwickelnden Insekten ans Tagesicht kommen ... sofern sie nicht nachtaktiv sind!
Dieser alte morsche Stamm liegt etwas entfernt von jedem Weg - bisher war er einfach nicht zu sehen im dichten bodennahen Laub. Aber dieser Stamm beinhaltet alle Stufen des Verfalls: eine eher trockene Oberseite, die Seitenbereiche schon brüchig und morsch, und die am Boden aufliegende Seite feucht-modrig und weich-zerfallend .... wie aus dem Lehrbuch - und darin finden fast alle zersetzenden Aktivitäten statt, die man kennt: Pilze, Flechten, Moose, Wurzelgeflechte, Insektenlarven, .....
An einer Stelle bildet sich gerade ein kleiner (unbekannter) Pilz aus, trotz der winterlichen Temperaturen ...
An einer anderen Stelle wird klar, warum der Stamm seinerzeit, vor vielen vielen Jahren, umgestürzt ist: eine alte Spechthöhle ziegt, dass er im inneren schon ausgehöhlt, faul und geschwächt war ...
Unter einem losen Stück abgeblätterter Rinde findet sich eine riesige Hornisse (Vespa crabro) - eine Königin, die als einzige den ganzen Stock überleben, hat sich hier ein Winterquartier ausgenagt. Sie reagiert unwillig mit lansamen Fühler- und Beinbewegungen, und so polstere ich das Bett wieder mit Mulm und Laubstreu und decke alles wieder mit der Rinde zu ....
Im Vorbeigehen schaue ich dann nach dem Hornissennest des letzten Sommers - aber davon ist nicht mehr viel zu sehen! Nicht einmal mehr Reste des seinerzeit hervorquellenden papierähnlichen "Baumaterials" sind zu sehen ... Nun, vielleicht hat ja der Schwarzspecht (Dryocopus martius), der im Vorjahr hier seine Brut aufgezogen hat, schon aufgeräumt für den nächsten Frühling?
Und wieder ein durch den letzten Sturm gefällter Baum: ein Stück "neues" Totholz - ein Stück Lebensraum der Zukunft.
Und so saust wieder einmal die Zeit an mir vorbei und die Dämmerung bricht rasch herein. Ich nehme die Beine in die Hand und verlasse eilig den Raader Wald, um den Jägern nicht in die Quere zu kommen und das Wild zu vergraulen. Schließlich sind auch sie gerne dort draußen, und auch sie genießen den Aufenthalt im Revier .... Grund genug, Rücksicht zu nehmen!
Ein Nebeneinander von Licht und Schatten, Wald und Technik, Gewölk und Erdboden geleitet mich heimwärts ...
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