Spurensuche einmal anders ...
11.10.2016
Spuren sind hinterlassene Zeichen, die entweder am Boden oder an irgendwelchen sonstigen Orten für aufmerksame Beobachter aufzufinden sind. Da das kühle Herbstwetter die kleinen Wald- und Wiesenbewohner verschwinden hat lassen, versuche ich sie in ihren Verstecken aufzuspüren ....
Gleich zu Beginn finde ich mitten am Weg einige kleine verstreute Federchen, etwas entfernt fallen am Wegrand dann einige bereits zerzauste, vom Regen verklebte, größere Vogelfedern auf. Irgendetwas hat den Vogel - nach den Federn zu schließen eine junge Taube - am Weg geschlagen und ihn dann seitlich in den Schatten gezerrt. Hier wurden die sperrigen Flügel- und Schwanzfedern ausgerupft, um ihn "transportabel" zu machen ... ein typisches Verhalten für einen Raubvogel" Und an den Federkielen waren auch die Kerben des rupfenden Vogelschnalbels deutlich zu spüren!
Der Blick nach oben gab den letzten Hinweis auf den Jäger: ein Habicht hat hier wohl zugeschlagen, indem er die unerfahrene weil junge Taube durch den über dem Weg befindlichen Blättertunnel jagte und schließlich erbeutete.
Kurz scheint die Sonne und läßt eine vertrckonete Schleimspur aufblinken ... aufmerksam geworden drehe ich einige Blätter um und finde tatsächliche diese fast rein gelb gefärbte Schnecke ... ohne die Schleimspur hätte ich sie übersehen!
Unter abgeblätterter Rinde finde ich die Fraß- und Kotspuren zahlreicher Käferlarven, die jedoch schon längst geschlüpft und ausgeflogen sind. Hier ist schön zu sehen, wie unterschiedlich - je nach Käferart - die Fraßgänge angelegt sein können: Manche nach Borkenkäferart von einem Hauptgang ausgehend seitlich verzweigend, andere scheinbar wirr angelegt ....
... und so sieht es aus, wenn man die Rinde betrachtet. Die Käferllarven fressen einen zum Ende hin oft dicker werdenden Gang und nagen noch ein Loch in die Rinde, dass sie wieder verstopfen. Danach verpuppen sie sich, um nach einer Weile - oft nach dem Winter - als fertiger Käfer den Holzfaserpfropfen hinausstoßen und ausfliegen. Zurück bleiben die Fraßgänge und die Löcher ....
Hier wiederum eine andere Spur: Wenn ein Specht solche Käfernester entdeckt, beginnt er systematisch die Rinde und den darunter liegenden Stammbereich abzuhacken ... auf diese Art entstehen diese waagrechten Rillen, die dann als "Spechtleiter" bezeichnet werden ...
Unter der losen Rinde findet sich ein Überwinterungsgast, die Gemeine Bodenwanze (Rhyparochromus vulgaris), welche in gedämpften, ruhigen Brauntönen recht nett gefärbt ist ...
... und siehe da, in direkter Nachbarschaft befindet sich ein riesiges Exemplar von der Spaltenkreuzspinne (Nuctenea umbratica) die aber ebenso wie ....
... die Gemeine Bodenwanze (Rhyparochromus vulgaris) regungslos die Winterkälte zu überstehen versucht.
Der Blick zurück zeigt ein scheinbar trübes, herbstliches Bild des Raader Waldes ... vielfach sind die Bäume schon entlaubt, teilweise sind sie verfärbt, was aber durch das fehlende Sonnenlicht nicht zur Geltung kommt .... aber dennoch birgt der Wald immer noch genug Geheimnissvolles und Unbekanntes, das es zu entdecken gilt ... solange dies überhaupt noch möglich ist!
Es war schon zu dunkel für ein Bild vor Ort, und die Kälte hat mich auch schon heimgetrieben. Und so hab ich diese beiden nur zufällig am Wegrand entdecken, einzelnen Flügeldecken eines Laufkäfers mitgenommen. Zuhause unter der Schreibtischlampe hat sich dann gezeigt, dass es sich wohl um Flügeldecken des hübsch mit goldenen Punktgrübchen geschmückten Gartenlaufkäfers (Carabus hortensis) handelt, der wohl einem Vogel zum Opfer gefallen ist ...
Die beschriebenen Funde zeigen nachdrücklich, dass es im Raader Wald zu jeder Jahreszeit möglich ist, kleine und doch so große Wunder zu entdecken; dass es zu jeder Jahreszeit möglich ist, mit Neugier (und bei Bedarf mit warmer Kleidung) bewaffnet, der wundervollen Natur nachzupüren und fündig zu werden!
Und ebenso nachdrücklich zeigt es auch, wie viel den Menschen verloren gehen würde, wenn dieser Wald der Motorsäge zum Opfer fallen müßte, um dem vielgepriesenen "notwendigen Wirtschaftswachstum" zu weichen!
Nützen wir ihn doch besser als Möglichkeit, den hiesigen Menschen - besonders der Jugend - die Chance zu geben, die Natur VOR ORT kennen, schätzen, lieben und SCHÜTZEN zu lernen!
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