Pressemeldung:
Mantis religiosa - Die Europäische Gottesanbeterin
Die Gottesanbeterin wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Insekt des Jahres 2017 gewählt. Grund genug, um die Gottesanbeterin vor den Vorhang zu holen. Die "Freunde des Raaderwaldes" haben sie in einem Heidegebiet im Raaderwald in St. Valentin (Grenze Oberösterreich zu Niederösterreich) im Jahr 2016 ausführlich dokumentiert. Sie können daher viele Fragen über diese seltene Fangschrecke beantworten.
Im Osten und Süden Österreichs, besonders in den Weingegenden, ist die Gottesanbeterin sehr gut bekannt - im Raaderwald wurde sie erstmals 2011 fotografisch festgehalten - vermutlich hat sich hier aber schon Anfang des Jahrtausends eine stabile Population gebildet. Laut Literatur wurde die Gottesanbeterin etwa 2002 in Schwertberg und Linz, 2003 in Amstetten und 2004 in Saxen nachgewiesen. Naturinteressierte Kinder und auch fachkundige Biologen wissen bereits, dass die Gottesanbeterin hier im Enns-Donau-Winkel heimisch geworden ist, zumindest in Wärmeinseln wo es ausreichend Heuschrecken gibt. Hier ein Beweisfoto, denn in der Schule wird das noch nicht geglaubt.
Als wir heuer ein Foto einer Gottesanbeterinnenpaarung in den Oberösterreichischen Nachrichten veröffentlichen durften, da riefen gleich viele Oberösterreicher interessiert im Biologiezentrum Linz an. Sind diese Gottesanbeterinnen gefährlich? Giftig? Nein, sie sind harmlos, wie folgendes Bild einer Kinderhand mit Gottesanbeterin zeigt.
Im Gegenteil, sie sind zerbrechlich und man darf sie nicht anpacken oder zwischen die Finger nehmen, das würde sie verletzen. Wenn man ihnen die Hand vor hält und sie von alleine hinauf klettern, da spürt man sie nur ganz sanft, wie sie den Finger, die Hand, immer nach oben krabbeln. Und wenn die Gottesanbeterinnen verweilen und sich gemütlich putzen, dann finden auch Kinder dieses vielen unheimliche Insekt, manche nennen es auch Alieninsekt, schnell "voll lieb". In Südtirol wird die Gottesanbeterin übrigens "Maringgele" genannt.
Die Gottesanbeterin klettert immer gerne nach oben.
Selbst größere Exemplare sind auf der Hand kaum spürbar.
Übrigens, die Spinnen scheinen einen Heidenrespekt vor den Gottesanbeterinnen zu haben - während sie im Netz gefangene Heuschrecken gleich schwuppdiwupp einwickeln, bleiben sie unserer Beobachtung nach bei Gottesanbeterinnen im Netz ein wenig auf Respektabstand - vielleicht liegt das daran, dass Gottesanbeterinnen Spinnen gerne fressen oder an der Drohgebärde. Gottesanbeterinnen drohen mit einem zischenden Geräusch ihrer geöffneten Flügel. Auch nehmen sie eine sogenannte "Truthahnstellung" ein, weshalb sie in unseren Weingebieten auch liebevoll "Leshanl" bezeichnet werden - "Les" von der Weinlese und "Hanl" vom Hahn. Wir haben insgesamt drei Gottesanbeterinnen in Spinnennetzen beobachtet und eine davon jausnete sogar genüsslich die Beute einer Spinne. Mundraub quasi. Die Flügel benötigen die ausgewachsenen Gottesanbeterinnenmännchen, um sich kurze Strecken schneller fortbewegen zu können. Damit fällt die Weibchensuche sicher leichter. Dass ausgewachsene Weibchen mit ihrem dicken Bauch noch fliegen können, konnten wir hingegen nicht beobachten.
Die europäische Gottesanbeterin - genannt Mantis religiosa - ist übrigens nicht nur grün, es gibt sie in verschiedenen Farbvarianten. Beinah weiß, bräunlich, grün, grün mit roten Flügelrändern .... das liegt vielleicht daran, dass sie sich in einem gewissen Stadium ihrer Entwicklung an die Umgebung anpassen - interessant ist, dass etwa die grüne Färbung mit dem roten Flügelrand lt. deutschen Experten ausgerechnet auch in Sachsen bekannt ist.
Jede Gottesanbeterin fängt mal klein an - auch im Raaderwald konnten wir einige jüngere Stadien dokumentieren.
So sieht eine Exuvie aus - die Gottesanbeterinnen wachsen durch Häutung - die Exuvie ist die abgestreifte Haut.
Die Gottesanbeterinnen stellt man sich ja eher als Fressmaschine vor, doch wir konnten sie den ganzen Sommer über fast nie beim Fressen beobachten.
Sie hängen als Lauerjäger fast unbemerkt und bestens getarnt in der Vegetation, wo sie auf ihre ahnungslose Beute warten. Dass sie stundenlang an Ort und Stelle warten, konnten wir nicht beobachten, sie verharren meist einige Minuten regungslos und bewegen sich dann wieder ein Stück weiter fort. Manchmal pirschen sie sich sogar an die ins Visier genommene Beute an. Dabei machen sie sogar eigentümliche tänzelnde Bewegungen. Während sich die kleineren Stadien noch mit Milben und Co begnügen müssen, fressen größere Exemplare vor allem Heuschrecken, Spinnen, Schmetterlinge, Bienen und andere Hautflügler, alles was ihnen eben vor die Fangbeine springt, fliegt, fleucht.
Wie gesagt, wir konnten die Gottesanbeterinnen nur sehr wenig beim Fressen beobachten, dass wir es fast schon für eine Mär hielten, dass Gottesanbeterinnenweibchen ihre Männchen vernaschen könnten, angeblich sogar während der Paarung. Wir bemerkten zwar, dass manch Männchen einen riesigen Bogen um ein Weibchen zog und rasch das Weite suchte, aber meist nahmen Gottesanbeterinnen laut unserer Beobachtungen nur sehr wenig voneinander Notiz. Doch dass Gottesanbeterinnenweibchen auch ihre Männchen fressen, das konnten wir am Ende der warmen Jahreszeit doch noch dokumentieren, doch dazu später.
Zuerst ein anderes seltenes Schauspiel, die Paarung bei den Gottesanbeterinnen. Der Zufall in Gestalt einer Heuschrecke half uns, dieses Ereignis zu dokumentieren. Ein Männchen war auf ein Weibchen, das Pheromone versprühte, aufmerksam geworden, doch so eine gefährliche Annäherung kann einige Zeit in Anspruch nehmen, doch eine Heuschrecke verkürzte die Wartezeit. Das hungrige Weibchen nahm die Heuschrecke wahr und kam so dem Männchen entgegen und gefährlich nahe. Das Männchen nutzte den Moment und verpaarte sich mit dem Weibchen.
Das Männchen betrillerte mit seinen Fühlern das Weibchen - vielleicht ein Trick um das Weibchen gnädig zu stimmen und ihn nicht als potenzielle Beute gelten zu lassen.
Dass das Weibchen durchaus hungrig war, beweist folgende Szene - während der Paarung sprang eine Heuschrecke direkt vor ihre Fangbeine und die Gottesanbeterin nützte dies für einen Snack zwischendurch. Um ihren Appetit zu stillen, pirscht sie sich auch während der Paarung immer wieder an Beute heran. Die Paarung kann mehrere Stunden dauern.
Wie die Paarung ausging, konnten wir in diesem Fall nicht dokumentieren. Wir begleiteten das Pärchen etwa zwei Stunden, mussten aber dann wieder weiter, das Schicksal des Männchens blieb uns unbekannt. Verpaarte Weibchen, sowohl Männchen als auch Weibchen können sich mehrfach verpaaren, erkennt man übrigens an den Malen am Rücken, die von den Männchen stammen, die sich am Rücken festkrallen.
Hier ein offensichtlich noch unverpaartes Weibchen.
Im Gegensatz zu einem bereits verpaarten Weibchen - achten sie auf die Flecken am Rücken. Auch der Bauch zeigt, dass sie kurz vor der Eiablage ist.
Dieses Männchen hat schon das rechte Hinterbein verloren. Vielleicht auch bei einer Paarung?
Dennoch, es ist Anfang Oktober, der letzte schöne Sonnentag des Jahres und das gehandicapte Männchen will noch einmal die Chance nützen, um sich zu paaren. Doch leider landet er auf dem Bauch des Weibchens anstatt auf ihrem Rücken - dieses Missgeschick ist sein Todesurteil, wie sich später heraus stellen sollte.
Das Weibchen beugt sich zu ihm hinunter, fasst ihn mit ihren Fangarmen und beginnt sofort seinen Kopf zu fressen.
Wir haben beobachtet, dass zu Herbstbeginn die Zahl der Heuschrecken schon deutlich abnimmt und das Weibchen braucht sicher noch viel Energie, um die Eier legen zu können. Vielleicht kommt deshalb das Männchen als Leckerbissen gelegen. Nachdem die Lebensuhr der Gottesanbeterinnen, auch die der Weibchen, ohnehin in ein paar Tagen abgelaufen ist - die Weibchen legen nur noch Eier und alle Gottesanbeterinnen sterben in den ersten kalten Nächten - macht dieses Verhalten zur Arterhaltung vermutlich sogar Sinn.
Das Weibchen verspeiste das Männchen vom Kopf bis zum Rumpf, dabei versuchte sich das Männchen hartnäckig dennoch noch zu verpaaren, was aber misslang - laut Literatur können sich bereits kopflose Männchen durchaus weiter aktiv verpaaren, das erscheint uns realistisch, wenn nicht die Annäherung wie bei unserem fünfbeinigen Männchen völlig misslingt - das Weibchen genehmigte sich noch ein Fangbein des Männchens, dabei fiel der Rest des Körpers zu Boden, wo das kopflose Männchen noch einige Zeit weiter lebte und sich sogar fortbewegte, aber sicher bald eine Beute für einen anderen Jäger wurde.
Das Weibchen (auch das Männchen) putzt sich nach jeder Mahlzeit ausführlich die Fangwerkzeuge, dies ist wichtig, um Krankheiten vorzubeugen.
Und noch ein paar Impressionen, von unseren Gottesanbeterinnenbeobachtungen im Raaderwald im Jahr 2016, als Tribut zur Wahl zum Insekt des Jahres 2017!
Ein Biologe meinte, alles, für das die Gottesanbeterin betet, ist die nächste Mahlzeit - vielleicht betet sie aber auch für den Erhalt ihres Lebensraumes.
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