Schutz für den Raader Wald: Was wir schützen wollen und warum
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I N F O R M A T I O N zur Pressekonferenz mit den

Freunden des Raader Waldes:

Norbert Steinwendner, Mitarbeiter des Nationalparks O.ö. Kalkalpen i. R.; Naturschutzreferent Alpenverein Neugablonz-Enns
Harald Pfleger, Naturschutzbund-Regionalgruppe "Untere Enns", Landesleiter BirdLife OÖ
Franz Essl, Ökologe; Universität Wien, Umweltbundesamt
Jürgen Staretschek, professioneller Naturfotograf

am 13. September 2017,

St. Valentin/NÖ

zum Thema " Schutz für den Raader Wald: Was wir schützen wollen und warum

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Historie:

Der Raader Wald war ursprünglich Teil eines großflächigen Heidewaldes, der sich von Herzograd bis Pyburg gezogen hat. Er wurde seit jeher nur extensiv v.a. zur Brennholzgewinnung in Form von Mittelwaldbewirtschaftung genutzt. Das jahrhundertelange Bestehen dieses Waldtyps in Kombination mit dem trockenen Untergrund hat dazu geführt, dass sich eine äußerst artenreiche Lebensgemeinschaft bilden konnte. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch große Teile dieses Waldbandes diversen Nutzungen zum Opfer gefallen (A1 und Westbahn bzw. Hochleistungsstrecke, Schottergruben, Gewerbeflächen), der ökologisch so wichtige großflächige Zusammenhang wurde durch die Zerschneidung teilweise zerstört.

Lediglich im Bereich des Raader Waldes besteht im Zusammenhang mit den Waldflächen im angrenzenden Ennsdorf, Pyburg und St. Pantaleon noch eine relativ ausgedehnte unzerschnittene Waldlandschaft. Hier ist u.a. die OMV AG der Grundbesitzer, diese Teile des Waldes sind seit den 1970er-Jahren als Industriegebiet gewidmet, jedoch noch völlig intakt. Lediglich im vergangenen Winter gab es kleinflächig massive, von der OMV angeordnete und letztlich durch den NÖ. Umweltanwalt Mag. Hansmann gestoppte Eingriffe mittels Harvester. Norbert Steinwendter erklärkt: „Grund dafür ist, dass eine unter Kreisky geplante Raffinerie nie errichtet worden ist. Die danach notwendige Rücknahme der Widmung wurde von der Politik völlig verabsäumt, obwohl etliche Jahrzehnte Zeit waren und auch detaillierte Biotopkartierungen im Gebiet durchgeführt wurden. Nun soll die Fläche verwertet werden.“

Ist-Zustand und Bedeutung des Raaderwaldes:

Im betroffenen Areal finden sich eine Reihe von österreichweit seltenen und gefährdeten Biotoptypen, die auch in der EU-Fauna-Flora-Habitatrichtlinie als schützenswert aufgeführt sind. Franz Essl, Ökologe der Universität Wien und Kenner des Raader Waldes: „Der überwiegende Teil der Waldfläche ist als „bodentrockener Eichenwald“ anzusprechen, der in unserer „Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs“ als „stark gefährdet“ eingestuft wird. Vor allem die jahrhundertelange naturnahe Bewirtschaftung und der damit verbundene hervorragende Zustand des Waldes ist von überregionaler Bedeutung – ein sowohl aus natur- als auch kulturhistorischer Sicht absolut schutzwürdiges Gebiet.“

Weitere kleinflächige, aber ebenfalls sehr artenreiche, bundesweit stark gefährdete und EU-geschützte Biotope sind Halbtrockenrasen sowie Flachland-Magerwiesen. Franz Essl: „Diese Biotoptypen beherbergen auch aufgrund des engen Verzahnung mit den Waldflächen eine bedeutende Anzahl an überregional seltenen und gefährdeten Pflanzenarten, die hier oftmals ihren einzigen Standort im gesamten Unteren Ennstal und den angrenzenden Gebieten haben.“

Von den zahlreichen Brutvogelarten sind Neuntöter (EU-geschützt) und Kleinspecht wertgebend. Die beiden Arten verzeichneten in den letzten Jahren einen starken Bestandesrückgang.

An von uns nachgewiesenen Reptilien sind Schling- und Äskulapnatter (beide EUgeschützt und als „gefährdet“ eingestuft) erwähnenswert, von den Fledermäusen liegen Nachweise für 8 Arten vor, darunter EU-geschützte und österreichweit gefährdete Arten wie Breitflügel- und Mopsfledermaus. Zudem sind eine Reihe nicht sicher identifizierter Nachweise vorhanden, u.a. besteht der Verdacht auf ein Vorkommen der Bechsteinfeldermaus.

Bezüglich Schmetterlingen wurde dem Raader Wald im August von Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des „Senckenberg Deutschen Entomologischen Institutes“, exemplarisch für die Tagfalter eine hohe Artenzahl bescheinigt. Von Amateuren wurden bei Tageslicht und während Spaziergängen bisher ca. 60 Tagfalterarten und insgesamt mehr als 160 Schmetterlingsarten nachgewiesen. Die Dunkelziffer liegt weit höher, da die Nachtfalter ohne gezielte Erhebungen von Spezialisten schwer erfassbar sind. Besonderheiten sind das seltene Bibernellwidderchen und der EU-geschützte Heckenwollafter, weiters die EU-geschützten Arten Großer Feuerfalter und Russischer Bär. Charakterarten sind zudem die für NÖ relevanten Kleiner Eisvogel und Schwalbenschwanz, das Weißbindige Wiesenvögelchen, der Aurorafalter, das Große Eichenkarmin sowie der Wolfsmilchschwärmer.

Aus dem Reich der Insekten sind weiters große stabile Populationen der Gottesanbeterin (Ö-weit gefährdet) sowie der Gestreiften Zartschrecke zu nennen. Zudem gibt es eine große und weitgehend unbearbeitete Fülle an Wildbienenarten, erwähnenswert ist hier der Nachweis der sehr seltenen Borstigen Dolchwespe, die zB in Deutschland als „vom Aussterben bedroht“ gilt.

Der Raaderwald wird von der lokalen Bevölkerung als Naherholungsgebiet, insbesondere für Spaziergänge und Sport genutzt, in letzter Zeit kommen aber aufgrund der steigenden Bekanntheit des Gebiets vermehrt Naturinteressierte (Vogelkundler, Naturfotografen) hinzu. Weiters ist ein Konzept für ein „Grünes Klassenzimmer Raader Wald“ in Ausarbeitung. In der v.a. durch Bautätigkeit und Verkehr sehr hektischen Landschaft der Region kommt dem Raaderwald die wichtige Funktion einer Oase der Ruhe und Naturnähe zu, zumal ja die Waldausstattung der Gemeinde St. Valentin mit 11,6% der Gemeindefläche deutlich unter dem nö. Durchschnitt liegt.

Aktuelle Gefährdung:

Aufgrund unternehmespolitischer Gründe ist die OMV bestrebt, ein Areal von ca. 48 ha (davon über 30 ha Wald) zu verkaufen, und damit einhergehend besteht die unmittelbare Gefahr, dass der Raaderwald einer Industriewüste weichen muß. Der Ennser Biologe Harald Pfleger ist der Meinung: „Die in solchen Fällen vorgeschriebene Ersatzaufforstung ist aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht unmittelbar wirkungslos. Ein großflächiger, über hunderte Jahre bestehender und extensiv genutzter Wald mit seiner Vielzahl an Wirkungsbeziehungen zwischen den hunderten vorkommenden Arten kann nicht einfach auf der grünen Wiese wiederhergestellt werden. Eine derartige Widmung wäre daher aus heutiger Sicht, mit dem Wissen, das wir heute über den Raader Wald besitzen, sicher nicht mehr möglich. Und in diesem Sinne ist der Raader Wald auch zu behandeln.“

Darüber hinaus ist eine zusätzliche weitere Zerstückelung des ehemals großflächigen Heidewaldes höchst problematisch, zumal ja die Zerstörung anderer Teile dieses Naturund Kulturschatzes zB durch aktuelle Schottergrubenprojekte (Köttinger Holz) und geplante Straßenbauvorhaben (Umfahrung Langenhart-Herzograd) unvermindert weitergeht.

Aus diesen Gründen haben sich sowohl naturinteressierte Laien als auch professionelle Biologen aus der Region zu den „Freunden des Raaderwaldes“ formiert und unterstützen den vom NÖ. Umweltanwalt, Mag. Tom Hansmann, gestellten Antrag auf Unterschutzstellung des Raaderwald vollinhaltlich. Hinter dieser Forderung stehen weiters die Naturschutzorganisationen Naturschutzbund NÖ, BirdLife Österreich sowie die Forschungsgemeinschaft „Lanius“.

Für weitere Informationen:

Harald Pfleger: haraldpfleger@gmx.at; 0699/81683825

Norbert Steinwendner: n.stw@gmx.at; 0664/2455191

Weiterführende Links:

HomePage Jürgen Staretschek

Youtube-Kanal Florian Mayr

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Presse

Pressetext pdf Schutz für den Raader Wald: Was wir schützen wollen und warum

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© Jürgen Staretschek


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