Wissen um den Raader Wald
Lebensraum Waldrand
Waldränder gehören durch ihre Artenvielfalt zu den wertvollsten Biotoptypen. Hier verbinden sich zwei - oder sogar auch mehrere - Lebensräume: Der Wald und der angrenzende Lebensraum, im Flachland meist die angrenzende Wiese (die aber auch Steppen- oder Heidecharakter haben kann.) Duch die zahlreichen Wechselwirkungen von Deckung und Versteck, Lebensraum, Ruheraum, Nahrungsangebot, Jungenaufzucht für die Tiere, sowie Licht- und Schattenverteilung, Verfügbarkeit von Wärme und Feuchtigkeit für Pflanzen ergibt sich eine riesige Palette von Nutzungsmöglichkeiten für die verschiedensten Tiere und Pflanzen, wodurch Waldränder typischerweise eine wesentlich höhere Artenvielfalt und auch Artenanzahl aufweisen. Waldbewohner treffen auf Wiesenbewohner, und hinzu kommen dann noch auf den Waldrand selber spezialisierte Arten ...
Wir alle kennen das Reh, das hier als typisches Beispiel genannt werden soll. Es nutzt und schätzt die Deckung des Waldes und der Gebüsche, zieht jedoch in der Dämmerung oder - wie hier ein nochunvorsichtiges Jungtier - auch am Tag in die Wiesen oder Felder hinaus, um zu fressen ...
Hier wird die Dynamik sichtbar, welche durch einen Waldrand bzw dessen höhere Luft- sowie Bodenfeuchtigkeit gefördert werden kann. Hohe Gräser und krautige Pflanzen bilden eine Bodenschicht, welche durch Schlingpflanzen und andere rankende Gewächse überdeckt werden im Kampf um jeden Lichtstrahl ...
Größere Lichtungen bieten ebenfalls schon genug Waldrand, um verschiedneste andere Kleinlebenräume ausbilden zu können, welche die verschiedensten Tiere und Pflanzen nutzen und so zu einer erhöhten Artenvielfalt führen ...
Im weitesten Sinne könnten sogar Wege als Waldrand angesprochen werden - schon sie schaffen zusätzliche Schneisen, welche je nach Verlauf einen geänderten Lichteinfall bewirken können. Und hier können schon fliegende Tiere zusätzlich vorkommen, für welche die dichten Baumbestände des Waldes ein Hindernis darstellen würden (große Insekten wie Käfer oder schnell fliegende Vögel wie jagende Raubvögel oder größere Fledermäuse).
Waldränder müssen nicht eine "Kante" bilden und wie abgeschnitten wirken, sondern können auch mittels lockeren Bewuchs in den angrenzenden Lebensraum übergehen, mit diesem "verzahnt" sein ... und wieder gilt: je mehr Übergangsstufen vorhanden sind (Büsche, junge und alte Bäume, Buschgruppen, Baumgruppen ....) mit desto höherer Artenvielfalt und Individuenzahl kann gerechnet werden ...
Vielfältig sind die Kombinationen der Natur, sie sie bereithält: Krautige Flächen und in diese hineinragende Jungwaldzungen vergrößern die Länge des Waldrandes ....
Lockerer Bewuchs von Bäumen mittleren Alters , der in einen jungen dynamischen und damit dichten Wald übergeht ...
Gleichmäßig lockerer Bewuchs mit jungen Bäumen, welche das Licht zu Boden fallen lassen zeigt aber die Dynamik der Natur: Man stelle sich vor wie es hier aussehen mag, wenn die Bäume größer und älterer geworden sind ... abgesehen davon, dass viele davon durch die Konkurrenzwirkung absterben werden und als Totholz wieder neuen, anderen Arten zur Verfügung stehen ....
Die Vielgestaltigkeit von Waldrändern ist unermeßlich ... und oft auch eine Freude für die Augen ...
Bäume mit einem Buschgürtel bilden den "Standard" im Übergang vom Wald zur blühenden Wiese ...
Wie hoch die Krautschicht der Wiese ist, bestimmen viele Faktoren: Wasser, Boden, Nährstoffe, Licht, Schatten, Wind ...
Hier ein Beispiel eines Waldrandes mit Buschgürtel, der jedoch in eine Trockenwiese übergeht .... es fehlt die Überschäumende Kraft der andernorts dynamisch-grünen, saftigen Krautschicht und geht sofort in lockeren, kurzen Bewuchs über, der den schottrig-sandigen Boden gar nicht bedecken kann ... hier ist dennoch eine andere hohe Artenvielfalt gegeben, denn hier finden sich in Menge wärmeangepaßte und trockenheitsliebende Tiere und Pflanzen ein ...
Die Strauchschicht wird hier nicht durch saftig-rankende Schlingpflanzen und aufschießende Büsche gebildet, sondern durch harte und stachelbewehrte, langsamwachsende Büsche wie Weißdorn und Berberitze ...
Diese Büsche sind Nahrungsquelle in der kalten Jahreszeit für zahlreiche bei uns überwinternde Vögel, welche dann die Beeren als Energiequelle nutzen können ...
Der Buschgürtel bildet oft einzelne Vorposten, welche als Solitärgehölz dann eine dominante Position einnehmen und den Waldrand auf eine besondere Weise strukturieren ....
Die Früchte des Weißdorns ....
Manchmal fehlt der Buschgürtel, und der Wald beginnt sofort mit lockerem Eichenbestand, der genug Licht für die Krautschicht zu Boden fallen und dennoch den Trockenheitscharakter des Eichenwaldes erkennen läßt ....
Und nur wenige Schritte weiter platzen Kraut- und Strauchschicht scheinbar aus allen Nähten vor lauter Dynamik ... wogegen im Hintergrund der Wald durch den lockeren Bewuchs schon wieder auf Trockenheit schließen lassen ...
Mittels vorstehender Bilder wurde hier versucht, die unendliche Vielfalt eines "einfachen Waldrandes" darzustellen. Schon allein die zahlreichen Varianten dieses speziellen Lebensraumes lassen darauf schließen, um wieviel mehr noch der Raader Wald an Tier- und Pflanzenarten beherbergt, als hier auf diesen Seiten des Tagebuches gezeigt werden kann!
Wichtig ist jedoch, sich darüber Gedanken zu machen, ob nicht doch ein Umdenken lohnt, der Natur auch dort wieder Raum zu geben, wo die Menschen in direkter Nachbarschaft mit dieser Natur wohnen und leben. Es kann nicht sein, dass sich die Natur nur auf irgendwelche Reservate, Natur- und Nationalparks zurückziehen muss, nur um eines kurzfristigen Profites willen ...
WIR sind Natur ... und wenn wir die Natur immer nur benutzen, zerstören, planieren, kultivieren, verändern, letztlich auf "Sache" reduzieren, werden auch wir einst reduziert werden ... ob wir wollen oder nicht ...
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