Diesmal so richtig Schnee ...

18.12.2017

Das erste Mal so richtig Schnee ... und die Gelegenheit, der Erste zu sein, der durch diese stille weisse Pracht wandert. Einladend liegt der beschneite Eingang zum winterlichen Idyll des Raader Waldes vor mir ...

Die Büsche entlang des Weges haben ihr Laub längst verloren, und so ist der Blick frei auf das Tanklager der OMV .... zumindest, wenn man es schafft, hier und heute wirtschaftsorientiert zu bleiben. Der Neuschnee und die Kälte und die Stille allerdings lassen die Gebäude vergessen, ändern den "Blickwinkel" - und so wechselt der Blick zu einer weiten Brachfläche, welche Habicht, Bussard und Falke gleichermaßen als Jagdfläche nutzen ...

Zwar bin ich der erste Mensch an diesem Tag, aber Freund Fasan war dennoch früher dran und zog seine Spur, ließ sie in seltsamen Schlingen und Schnörkel eigene Muster bilden ...

Der Wald mit seinem sonst sattgrünen, undurchdringlichen Unterholz wird zu einem filigran erscheinenden Gewebe aus weißen und schwarzen Fäden ... der Schnee hat die Stämme an einer Seite beklebt mit weissen Bändern und bildet andernorts weiße flauschige Nester ...

Die verholzten, blattlosen Triebe irgendwelcher Stauden bilden sparrige Muster in der ansonsten einheitlich weissen Fläche ...

... und am entfernten Waldrand heben sich die knorrigen Äste der älteren Eichen deutlich von den jüngeren Geschwistern im Waldinneren ab. Die Brache davor besteht aus halbhohen, aus dem Schnee ragenden Stauden, an welchen noch zahlreiche Samen hängen, zur Freude von überwinternden geflügelten Gästen.

Die Rohrammer (Emberiza schoenicus), eigentlich ein Vogel der Schilf- und Seggengebiete, welcher als Teilzieher Mittelleuropa größtenteils verläßt, hat die hier vorhandenen Futterreserven entdeckt und verzichtet auf den Flug nach Nordafrika ...

Das innere einer Eichenkrone ist eine ganz eigene Welt, eine ganz eigene Landschaft, ein ganz eigener Lebensraum, mit Verstecken, mit Höhlen und spezialisiertem Getier, das wiederum andere Tiere anzieht ... über 1000 (eintausend) Tier- und Pflanzenarten beherbergen zu können sagt man einer alten Eiche nach ....

Die Brache, welche die Rohrammern beherbergt, aus der Deckung des Waldrandes heraus betrachtet ... hier jagt auch die Kornweihe ...

Schnee rieselt auf mich herab ... leises Flöten habe ich schon vorher aus einiger Entfernung gehört und erkannt: Es ist der Gimpel oder auch - wegen seiner schwarzen Kappe - Dompfaff (Pyrrhula pyrrhula) mit seinem auffälligen roten Bauch, der sich im oberen Stockwerk über die frischen Knospen hermacht.

Die Nahrungsreserve der Vögel für den strengen Winter: Früchte der Berberitze (Berberis vulgaris) verstecken sich unter dem Schneepolster, als ob sie sich für spätere Notzeiten bewahren wollten ...

Heute zeigen sich sogar die Gleisanalgen der OMV von ihrer hübschesten Seite und zeichnen zarte, elegant geschwungene Linien in den Schnee, an ihrer Seite mit Schneehäubchen bedeckte Stellwerke ...

Der frische Schnee hält die meisten Tiere in ihren Verstecken - sie sparen damit ihre Energie für schlechtere, strengere Zeiten. Daher sind nur wenige Spuren zu finden. Hier hat aber ein Reh seine Deckung verlassen, den Fahrweg überquert und ist gleich wieder im Dickicht verschwunden ... aber war es tatasächlich ein Reh? Die Spur ist verwischt, teilweise der Schnee in das Trittsiegel hineingefallen ....

Die Suche nach einem eindeutigen Abdruck hat gefruchtet: tatsächlich ein Reh ...

Nur wenig davon entfernt paarweise, leicht schräg liegende Abdrücke von jeweils zwei Pfoten ... ein Marder hat hier den Weg rasch und mit weiten Sprüngen überquert, wie die weit auseinander liegenden Tritte zeigen ...

Zwischen den Wolken versucht die Sonne sich durchzuzwängen, was die Äste der Eichen wie drohende Finger in den grauen Himmel ragen läßt ..

Die durchbrechende Sonne läßt die Landschaft, den Wald wieder in anderem Licht erscheinen ...

... und zurückkehrend zum Ausgangspunkt treffe ich wieder auf eine Spur ....

Über dem Kanal schwingt sich eine Gruppe Enten laut schimpfend in die Luft und sie zeigen mir erdgebundenem Menschling verächtlich die gesammelten Kehrseiten ...

Ein Exemplar hat den Anschluß verpaßt, und bevor es sich ebenfalls in die Lüfte schwingt, kann ich es am weißen Wangenfleck noch als Schellente (Bucephala clangula) identifizieren.

Ein letzter Blick auf die Brache mit den herumschwirrenden Rohrammern, die aus der Ferne kaum auszumachen sind, und es geht wieder zurück in die gar nicht so ferne Zivilisation ...

Wenn es doch nur gelänge, diesen Wald für genau dieses Wahrnehmen, Verweilen, Bemerken und Beobachten durch die Bewohner der anliegenden Gemeinden, der so nah wohnenden Menschen zu bewahren ... ein Weihnachtswunsch?

>>> zum nächsten Tagebuch-Eintrag ...

 

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